dis-Harmonie

Zum 14.Oktober 2000 von Stefan Kiesner

Den Namen trägt nun unser Chor
seit ungefähr zehn Jahren.
Ist’s Tiefsinn? Oder ist’s Humor?
Was stell’n wir uns darunter vor?
Das sollt Ihr nun erfahren.

Musik erfreut durch Harmonie
die Herzen und die Seelen.
Sie heilt, belebt, schafft Sympathie,
drum wollen wir, wenn möglich, nie
den guten Klang verfehlen.

Doch suchen wir den guten Ton
stets ohne Übertreibung.
Sind wir entfernt von Perfektion,
erlaubt das kleine Dis uns schon
zum Glück auch manchmal Reibung.

So wird die Spannung erhöht, wenn das Ohr vor der Reibung erzittert,
oder der Takt von Synkopen verdeckt wird, die vorwärts uns drängen.
Rettung finden wir endlich im Wohlklang und Gleichmaß des Taktes.
Doch aus Entspannung wird bald Langeweile; es treibt uns die Neugier,
anderen Klang zu entdecken und neue Gefahr zu erleben.
Wie die Gezeiten steh’n Wohlklang und Reibung beständig im Wechsel.

Wir woll’n als Freunde uns versteh’n,
verbinden statt zu trennen,
gemeinsam durch die Lieder geh’n.
So soll die Harmonie entsteh’n
nach der wir uns benennen.

Das Dis erinnert uns daran,
was Toleranz bedeutet:
daß einer tun und lassen kann,
was er für richtig hält, und dann
nicht einlenkt, sondern streitet.

Da nur kann Neues entstehen, wo neue Gedanken erlaubt sind,
da nur Vielfalt und Reichtum, wo fertige Wahrheit nicht fesselt.
Und wo man zuhört und nachfragt, bedenkt die Gedanken der Freunde,
duldet, was fremd ist an ihnen, nimmt Rücksicht auf ihre Gefühle,
da wird Gemeinschaft vertieft, nicht zerstört, durch offene Worte.
So wirken Eintracht und Streit dann gemeinsam Bestand und Entwicklung.

Wenn so die Harmonie regiert
hier unten auf der Erden,
daß sie das Dis gern akzeptiert,
sich damit sogar noch verziert,
dann kann’s nicht schöner werden!

Oder vielleicht doch?

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